Minimalinvasive Hüftendoprothetik

Warum kleine Schnitte nicht nur kosmetisch sinnvoll sind?

Entstehung, Diagnostik und Therapie der Hüftarthrose

Arthrose ist in Deutschland, wie in allen Industrienationen die häufigste Gelenkerkrankung. Hüftarthrose stellt hierbei mit einer Inzidenz von 5% über 65 Jahre die häufigste Ursache für eine eingeschränkte Mobilität dar. Demzufolge werden in Deutschland ca. 200.000 Ersatzoperationen des Hüftgelenkes pro Jahr durchgeführt. Die Hüftarthrose (Coxarthrose) beschreibt ein sehr heterogenes Krankheitsbild, mit einer gemeinsamen Endstrecke einer terminalen Gelenkknorpeldestruktion und weiteren Veränderungen der umgebenden Gewebe.

Eine den Destruktionsprozess begleitende Entzündung bewirkt durch eine chronische Synovitis (Gelenkschleimhautentzündung) eine Verdickung der Kapsel und führt neben den genannten Gelenksanbauten zu einer verminderten Beweglichkeit der Hüfte und damit zu einer eingeschränkten Funktion. Diese gestörte Kinematik der Hüfte, gepaart mit meist einseitig vermehrtem Abrieb des Knorpels verstärkt den Prozess der Bewegungsstörung, wodurch wiederum die Destruktion beschleunigt wird.

 

Die eingetretene Arthrose der Hüfte stellt daher eine zwingend voranschreitende Erkrankung dar.

 

Die typische Symptomatik der Coxarthrose ist der (Leisten)schmerz und dieser korreliert mit einer Einschränkung der Aktivität. Der initiale Verschleiß macht sich durch Belastungsschmerzen bemerkbar, wohingegen mit zunehmender Destruktion auch Ruhe- und Nachtschmerzen, sowie Morgensteifigkeit und Anlaufschmerz hinzutreten, obgleich diese Symptome nicht pathognomisch für eine Coxarthrose zu werten sind.

Des Weiteren können auch andere Krankheitsbilder Schmerzen verursachen, welche als hüftursächlich gewertet werden und bedürfen daher des Ausschlusses. Hier wären z.B. die Bursitis trochanterica (seitliche Schleimbeutelentzündung) und jegliche Form der Ischiadicus-Affektion zu nennen. Auch Leistenbeschwerden bei einer Hernie (Leistenbruch) müssen abgegrenzt werden, wobei die Beteiligung der Leiste eine hohe Korrelation mit dem Vorliegen einer Hüftarthrose aufweist.

Diagnostiziert wird eine Hüftarthrose durch die klinische Untersuchung und bildgebende Diagnostik. Hier wären die Kernspintomographie und das konventionelle Röntgen bei höhergradiger Arthrose die Mittel der Wahl.

Die Säulen der Therapie der Hüftarthrose sind der Funktionserhalt und die Schmerzreduktion. Im Vergleich zur Kniearthrose liegen relativ wenige randomisierte Studien zur Differenzierung von medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie vor. Wenngleich eine Verbesserung der klinischen Situation erzielt werden kann, so ist die Erfolgsrate geringer als bei der Kniearthrose und der Zeitraum des Behandlungserfolges verkürzt.

 

Die konservative Therapie („Knorpeltherapie“) ist an der Hüfte wenig erfolgreich als am Knie.

 

Auch die lokale Pharmako-Therapie durch Injektionen mit Kortikoiden und/oder Hyaloronsäure zeigt im Vergleich mit der Kniearthrose ein schlechteres Ansprechen.

Die Therapie mit Schmerzmitteln aus dem Bereich der nichtsteroidalen Antiphlogistika zeigt eine statistisch signifikante Schmerzreduktion bei moderater bis fortgeschrittener Arthrose und kann bei Magenbeschwerden ggf. durch selektive COX II Hemmer angepasst werden. In jedem Fall handelt es sich hierbei um keine Dauertherapie und bedarf in Ermangelung einer kausalen Therapie einer ständigen Kontrolle der zumeist älteren Patienten auf Retentionsparameter (Nierenwerte). Auch bestehen multiple Arzneimittelinteraktionen mit Blutdruckmedikamenten, sodass interdisziplinär mit dem Hausarzt entschieden werden sollte, ob eine derartige Therapie möglich ist.

Im Rahmen der endgradigen (vollschichtigen) Arthrose des Hüftgelenkes mit entsprechender klinischer Einschränkung ist die Ersatzoperation der Hüfte indiziert

 

Entwicklung der Hüftprothetik

Die Geschichte der Hüftprothese ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Ohne ein Zusammenspiel der beteiligten Wissenschaften im Bereich Biomechanik, Materialforschung und Chirurgie wäre diese so aber nicht möglich gewesen. Und so sind es auch keine Einzelereignisse, sondern Verbesserungen und Fortschritte in den genannten Teilbereichen, welche die Hüft-Totalendoprothese (TEP) zur Operation des Jahrtausends machen.

 

Die Implantation einer Hüftgelenks-Totalendoprothese (TEP) ist die Operation des Gelenkapparates mit der besten Prognose.

 

Noch bessere und konstantere Ergebnisse als die Hüft-TEP erreicht nur die Katarakt OP, welche eine ungleich geringere Komplexität aufweist.

Die erste Hüfttotalprothese stellten 1953 McKee/Farrar vor. Es handelte sich um eine Metall-Metall Gleitpaarung, welche noch recht hohe Lockerungsraten auf der Pfannenseite aufwies.

Der entscheidende Durchbruch gelang Sir John Charnley. Dieser führte 1959 PMMA (Methylmethacrylat) als Knochenzement in die Hüftchirurgie ein und verwendete einen weichen (Polyethylen-Pfanne) gegen einen harten (Metall-Schaft) Gleitpartner. Diese „low friction arthroplasty of the hip“ genannte Methode stellt bis heute die gültige und angewandte Grundlage moderner Hüftendoprothetik dar.

Als eine Reserveoperation und „letzte Option“ gestartet, sieht sich die Endoprothetik heute mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Der Brückenschlag von einem seltenen Eingriff zu einem Standardverfahren stellt einen nicht immer einfachen Spagat dar. Die Ansprüche an die Ergebnisse steigen und die Risiken treten bisweilen in den Hintergrund. Sicherlich helfen in diesem Spannungsfeld klare Indikationsrichtlinien, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen und eine Prothese nicht unkritisch zu indizieren.

 

Anatomische Rekonstruktion

Die heutigen Standardkonzepte zur Rekonstruktion des Drehzentrums, des Offsets und der Inklinations- und Anteversionswinkel fußen auf biomechanischen Überlegungen. Studien zeigen, dass die Haltbarkeit einer Prothese mit dem Grad der anatomischen Rekonstruktion korreliert.

 

Präoperative Prothesenplanung: Das Hauptaugenmerk liegt neben der Bestimmung der optimalen Implantatgrößen auf der Definition der Position, um die Anatomie des Gelenkes so wenig wie möglich zu verändern bzw. bei schwerer Arthrose und/oder Dysplasie die Anatomie wiederherzustellen. Kenngrößen sind hierbei das „Offset“ (Lateralversatz des Femurs gegenüber dem Rotationszentrum) und die Wiederherstellung der Beinlänge.

Eine Veränderung der patientenspezifischen Anatomie bedingt im Umkehrschluss einen Vermehrten Prothesenverschleiß oder eine erhöhte Lockerungsrate der Prothese.

Eine Prothesenversorgung sollte daher in der Lage sein auf unterschiedliche anatomische Verhältnisse einzugehen und moderne Materialien bereitzuhalten, um die Standzeit der Prothese heraufzusetzen.

Wiederherstellung der Anatomie durch eine sog. Kurzschaftprothese.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dilemma konventioneller Zugänge

Obwohl die Ergebnisse moderner Hüftprothetik durch die genannten Entwicklungen herausragend sind, gibt es Unterschiede in der Versorgung. Die auch in Bezug auf heutige Prothetik noch bestehenden Einschränkungen der Patienten resultieren zumeist aus dem operativen Trauma.

  • Ziel moderner Operationstechniken ist es das operative Trauma für die hüftstabilisierende Muskulatur auf ein Minimum zu reduzieren.

Entscheidend ist dabei die Zugangswahl. Grundsätzlich kann die Hüfte von rückwärtig, seitlich und von vorne implantiert werden. Wenngleich Modifikationen dorsaler (hinterer) Zugänge mit einer guten Luxationsrate aufwarten, ist eine Tendenz in der Literatur zu beobachten, das hintere Zugänge eine höhere Luxationsrate aufweisen.

Der klassische seitliche Zugang bedingt eine mehr oder minder ausgedehnte Ablösung der hüftführenden Muskulatur und damit das Risiko einer muskulären Insuffizienz (Schwäche), welche zu einem persistierenden Hinken führen kann. Vordere und vorne-seitliche (antero-lateral) Zugänge sind gewebeschonender, aber in ihrer Lernkurve steiler, brauchen also mehr Übung, um gute Ergebnisse zu erzielen. Werden sie aber beherrscht, weisen diese Zugangswege das geringste OP-Trauma auf und eignen sich daher am ehesten für eine rasche Genesung. Der häufig gebrauchte (missbrauchte) Begriff der Minimalinvasivität (MIS) bezieht sich nach anerkannter Lesart auf den Muskelschaden der Operation und lässt sich nur schwer mit Inhalt füllen. Ob hintere und seitliche Zugänge trotz Muskelablösung dieses Kriterium erfüllen, ist fraglich.

Axiale Schema-Zeichnung der verschiedenen operativen Zugangswege zum Hüftgelenk. Nur der anteriore und der anterolaterale Zugang (grün) erlauben einen atraumatischen Zugang ohne Ablösung oder Durchtrennung von Muskulatur.

 

Antwort durch minimalinvasive Techniken

In der letzten Dekade werden vermehrt moderne „minimalinvasive“ (MIS) Techniken propagiert.

  • Moderne vordere und anterolaterale Zugänge weisen keine Muskelablösung auf und ermöglichen eine rasche Wiedereingliederung des Patienten. Häufig ist eine Mobilisation am Abend der Operation, bisweilen auch ohne Gehhilfe möglich.

Die Ergebnisse der Langzeitbetrachtung entsprechen denen der hergebrachten Technik mit noch etwas besseren Ergebnissen bzgl. Gelenkstabilität und Muskelfunktion.

Welche modernen Zugänge stehen zur Verfügung?

Die minimalinvasive Hüftprothetik ist im deutschen Sprachraum mit hauptsächlich zwei Zugangswegen verknüpft.

Der vor allem im angloamerikanischen Sprachraum propagierte anteriore Zugang (AMIS) erzielte durch eine Förderung internationaler Industriepartner eine entsprechende Aufmerksamkeit. Der alternative Zuga“ng ist der von Röttinger beschriebene anterolaterale Zugang (OCM Zugang). Beide Zugänge kommen ohne Muskelablösung aus nutzen anatomisch präformierte Muskellücken der vorderen Hüftregion. Diese Muskellücken sind von Watson-Jones und Smith-Peterson beschrieben und nutzen den M. tensor fasciae latea als Kennmuskel. Der vordere Zugang findet seinen Weg zur Hüfte innenseitig und der OCM- Zugang seitlicher dieses Muskels. Hieraus resultiert auch die Möglichkeit der Erweiterbarkeit des Zugangs. Da in Verlängerung des anterioren Zugangs die Strukturen des Adduktorenkanals eine Erweiterung im Komplikationsfall erschweren eignet sich dieser Zugang nur bedingt in der Revisionschirurgie.

  • Der anterolaterale OCM-Zugang lässt sich durch seitliches Weiterführen in Verlängerung des M. vastus lateralis einfach erweitern und direkt in einen Revisionszugang verwandeln.


Auch ist der anterolaterale Zugang derjenige, welcher den größten anatomischen Abstand zu den kritischen neurovaskulären Strukturen (Nerven-Gefäss-Bahnen) der Femoral- und Ischiadikusregion aufweist.

 

 

OP-Narbe nach minimalinvasiver Hüft-TEP-Implantation. Der “Hautschnitt” läuft von der Leistenregion in Richtung der Oberschenkelmitte und weist eine Länge von ca. 5cm auf.

Für wen ist MIS geeignet?

Die muskelschonende Technik der modernen Hüftchirurgie verbesserte die ohnehin schon guten bis sehr guten Ergebnisse der Hüftprothesenoperation nochmals. Hierbei bleibt anzumerken, dass die Hauptverbesserung auf der schnellen Wiederherstellung und Rekonvaleszenz beruht. Selbstverständlich muss die Technik beherrscht werden, um das Potential auszunutzen. Da das Hauptaugenmerk auf der Schonung der Muskulatur liegt, sind muskelkräftige, männliche Patienten am schwierigsten durch diese Techniken zu versorgen. Die häufig kolportierte Einschätzung, dass adipöse Patienten durch diese Techniken schwer zu versorgen seien, entbehrt aber sowohl einer praktischen als auch einer wissenschaftlichen Grundlage. Grundsätzlich besteht kaum eine absolute Kontraindikation zur Anwendung eines MIS Zugangs im Rahmen der Primärendoprothetik.

Fachartikel von Dr. med. Kristian Kley zum Thema Minimalinvasive Hüftendoprothetik.
 

Dr. med.

Kristian Kley

Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Spezialist für Hüft- und Knieendoprothetik, Korrekturosteotomien
Partner Orthopaedic Specialists London (GB)